Grinzinger Versuchungen

Michaela Reisel

Wie könnte man besser ins neue Jahr starten als mit einem Essen bei einem der größten Köche, die hierzulande überhaupt anzutreffen sind? Ihnen fällt auch nichts ein? Eben.

Auch in diesem Jahr bin ich wieder unterwegs, um mich durch spannende Lokale der Stadt zu kosten. Das Jahr 2018 beginne ich gleich einmal mit einem Knaller. Bei niemand Geringerem als Juan Amador habe ich einen Tisch zum Mittagessen reserviert. Wir bewegen uns hier im obersten Segment und als solches hat es auch seinen Preis. Aber heute soll es etwas Besonderes sein, also auf in den 19.! Auf die Weinbegleitung bin ich ebenfalls gespannt, darf sich das Restaurant doch heuer mit der von Gault & Millau verliehenen Auszeichnung Weinkarte des Jahres schmücken.

Seit März 2016 bespielt Juan Amador das wunderschöne Kellergewölbe in der Grinzinger Straße 86. Gepachtet hat er es bekanntlich von Winzer Fritz Wieninger. Ein Name, den man in Wien wohl nicht weiter vorstellen muss. Seit dem Umbau im Herbst vergangenen Jahres vereint Amador nicht länger zwei gastronomische Konzepte unter einem Dach, sondern widmet sich ausschließlich Fine Dining.

Die lange Tafel rechts beim Eingang wurde durch einen Kitchentable ersetzt. Eine fünf Meter lange Arbeitsfläche, auf der momentan kalte Arbeitsschritte passieren. Zwei der Köche fertigen Petit Fours, muss ich mir später genauer ansehen. Ab dem Frühjahr wird hier der „Chef’s Table“ für bis zu vier Personen implementiert. Linkerhand gibt nach wie vor die Glasscheibe Blicke in die Küche frei. Hier gehen die warmen Vorgänge von dannen.

Grüße aus der Küche oder: Kunstwerke in einem Bissen

Ich werde an meinen Tisch geführt, an dem mir sogleich das Stockerl für die Handtasche auffällt. Sehr aufmerksam! Meinen Lunch nehme ich alleine ein. Das mag nicht jedermanns Sache sein, aber ich finde es immer wieder großartig. Voller Fokus auf Essen, Ambiente und Service, da kann ich alle Eindrücke auf mich wirken lassen. Unverträglichkeiten und Abneigungen wurden bereits im Vorfeld erfragt. Los geht’s.

Beef Tatar à la Chinoise, Beef Tee

Zum Aperitif bekomme ich Amador’s brut Rosé, den fruchtigen Hauschampagner, der eigens für Amador produziert wird. Bevor ich vier Gänge des Menüs wähle, serviert Sommelier und Restaurantleiter Andreas Katona nacheinander drei Grüße aus der Küche. Los geht’s mit Beef Tatar à la Chinoise. Es thront auf einem Baumstämmchen und kommt mit Soja, Ingwer, Reischip und einem kleinen Shrimp obendrauf. Dazu Beef Tee mit Zitronengras angesetzt und einem Ingwereiswürfel. Dieser schmilzt im heißen Tee und ergibt einen Geschmack, grandios! Erster Gruß, erstes Highlight.

Auf dem typischen Amador-A sind fünf kleine Kunstwerke drapiert, je ein Bissen: Ente à la Orange. Daneben: Schweinekinn und Schweinebauch mit Sauerkraut und Püree vom schwarzen fermentierten Knoblauch. „Unsere Version eines Schweinsbratens“, meint Katona augenzwinkernd. Weiters: Kabeljaubrandade mit Fischmayonnaise. Kalbsleber getrocknet & dehydriert, geraspelt mit Kartoffel und Apfel. Als Liebhaberin von Innereien finde ich die Interpretation spannend. Und Tiroler Calzone, gefüllt mit 18 Monate gereiftem Tiroler Bergkäse. Fischpraline und Schwein küre ich als meine persönlichen Favoriten.

„Momentaufnahme“: Beurre Blanc, Kabeljau, Mieral Taube, „Le Macaron“

Geeiste Beurre Blanc

„Momentaufnahme“ nennt sich das Menü, das in einem mit Siegel verschlossenen Umschlag überreicht wird. Es besteht aus zehn Gängen und wird mittags wie abends angeboten. Zum Dinner werden meist mehr Gänge genossen, ich entscheide mich für vier. Die Auswahl fällt gar nicht so leicht. Die Mieral Taube muss dabei sein, soviel steht fest. Ich bitte Andreas Katona um Entscheidungshilfe. Die ersten beiden Gänge, Geeiste Beurre Blanc und Kabeljau, nehme ich auf seine Empfehlung. Nach der Taube soll es noch das Dessert sein. Ein Menü voller Signatures und Klassiker, die Vorfreude ist groß.

Nach dem dritten Gruß – Steinbutt mit Jalapeno, grünem Apfel und Avocado – kommt schon die Geeiste Beurre Blanc. Mit am Teller befinden sich Haselnussschaum, Malzbrot und LandArt-Caviar. Ein wunderschönes Gericht, für den Gaumen wie für das Auge. Dazu ein Chardonnay Grand Select aus der Magnum Flasche aus 2013 vom Weingut Wieninger. Wir folgen nicht ganz der im Menü verzeichneten Weinfolge. Warum? Der Sommelier sorgt immer gern für ein bisschen Abwechslung, mit Wieninger kann man auch einen eigenen Wein zeigen. Der Chardonnay hat etwas Kräftiges, Nussiges. Schön zum Starten.

Kabeljau zum 2. Gang

Zum zweiten Gang: Ponzu, Samthaube und Culatello sind es, mit denen der Kabeljau eine geschmackliche Liaison eingeht. Der Edelschinken als hauchdünne Krönung auf dem Fisch. Ohne den Tipp Katonas hätte ich den Gang vermutlich nicht genommen. Ich bin froh für den Tipp, denn die Speise ist in der Zusammenstellung ihrer Komponenten und Präsentation, man mag sagen, perfekt. Dazu ein spanischer Wein: 2015 Exceptional Harvest, Bodega Ximenez-Spinola – Jerez de la Fontera. Der ist einfach großartig. Am liebsten möchte man gleich die ganze Flasche haben.

Mittlerweile sind noch einige weitere Tische besetzt. Ein englischsprachiges Pärchen, ein Herr alleine. Ein „Hat’s gepasst?“, als er geht, beantwortet er mit: „Sensationell.“ Jemand von einem Vierertisch meint zum Servicepersonal, das neben Katona noch anwesend ist: „Engagiert, aufmerksam – was will man mehr von einem Lokal?“

Mieral Taube

Mieral Taube als nächstes. Zwei Stücke zartes Fleisch übereinander auf einem Spiegel aus Purple Curry drapiert, Tüpfelchen von Mango und Kokos, Mangostückchen. Dazu 1994 Vintage Port, Quinta do Vesuvio aus dem portugiesischen Douro Tal. Dieser wird nur in besonders guten Jahren produziert, zuletzt 2011. Im Keller des Hauses befinden sich noch ein paar Flaschen und auch Katona selbst ist stolzer Besitzer dreier Exemplare.

Le Macaron

Ein Havanna Club Sorbet zur Erfrischung, dann das berühmte Dessert „Le Macaron“, der Michelin Stern aus Spekulatius, Preiselbeere und Portwein. Dazu eine Creme aus den gleichen Komponenten. Der Wein: 2008 Banyuls Grand Cru von der Domaine Parce Feres, Roussillion. Beim Genuss von „Le Macaron“ muss ich den Löffel kurz beiseitelegen. Der Stern und die Füllung schmecken so gut. Das soll bitte einfach nicht enden, so gut ist das.

Kaffee und Petit Fours darf ich direkt beim Kitchentable genießen. Wunderschöne Pralinen, die man am liebsten hinter eine Glasvitrine legen möchte, weil sie so hübsch sind. Golden Peanut, Schwarzwälderkirsch oder eine weiße Schokopraline mit Blutorange gefüllt.

Fazit

Petit Fours

Momentaufnahme. So heißt das Menü, das ist aber auch, wie ich die Zeit im Restaurant verbringe: ich versuche, den Moment in all seinen Facetten wahrnehmen. Zu entdecken gibt es viel. Details, die ich mit allen Sinnen aufsauge und mir einzuprägen versuche.

Der 19. Bezirk ist zwar ein Stück weit weg von der Innenstadt. Aber der Weg lohnt sich! Grinzing ist nicht nur Heurigengegend, Grinzing ist auch Amador. „Die Wiener sind entspannt. Sie genießen das Leben.“, meinte er einmal zu mir. Und an diesem Nachmittag sind wir das alle, wie wir da sitzen. Solche Versuchungen will man wieder. Und wieder und wieder.

 

Fotocredit Beitragsbild: Uli Köb

Fotos Speisen: Michaela Reisel