Zentralmatura 2.1

Michaela Reisel

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Von Peter Dobcak

Seit der Einführung an den höheren Schulen in Österreich sorgt die Zentralmatura für heftige Diskussionen bei allen Beteiligten. Die Gründe für die Einführung waren unter anderen mehr Fairness gegenüber den Kandidaten sowie erhöhte Transparenz beim Leistungsvergleich. Mit erfolgreich abgelegter Reifeprüfung bestätigt der Prüfling seine Studienreife. Seit 2016 führen auch die berufsbildenden höheren Schulen in Österreich standardisierte Reifeprüfungen durch. Bei solch standardisierten Prüfungen kommt es damit zwangsläufig zu Einheitsbeispielen, die auf die individuelle Berufsausbildung an den Schulen keine bzw. kaum Rücksicht nimmt. Richtmaß ist dabei nach wie vor das an den AHS vermittelte Wissen.

Was im ersten Moment logisch erscheint, verdient einen zweiten kritischen Blick. Warum? Ganz einfach, denn es wird offensichtlich die Tatsache ignoriert, dass z.B. im Schuljahr 2016/17 knapp mehr als 61% der jungen Menschen eine BHS besuchten, aber nur 39% eine AHS. Wird die neu geschaffene Möglichkeit der Lehre mit Matura ebenfalls berücksichtigt, dann besuchen derzeit bloß 20% der 16-jährigen nach der 9. Schulstufe eine AHS. Alle anderen sind Schülerinnen und Schüler einer berufsbildenden Schule oder Lehrlinge. Somit frage ich mich warum, und ich sage es ganz direkt, manch weltfremde Lehrinhalte einer AHS, mehr als 3/4 der Schüler und Schülerinnen Österreichs, die oftmals gar nicht studieren wollen, in Geiselhaft nehmen?

Im Prüfungsfach Deutsch können die Kandidaten immerhin aus 3 Themenfeldern wählen. In den Fremdsprachen geht das nicht, denn dort kommt dasselbe Thema für alle Maturanten. So hatten die in der Fremdsprache Spanisch antretenden Schüler und Schülerinnen einmal über das bewegende Thema „Männerkosmetik“ zu schreiben. Ich frage mich, für wen dieses Thema ausserhalb von Kosmetik- oder Modeschulen irgendeine fachliche Relevanz hat?

Wieso ist es ausgemachte Sache, dass tausende von jungen Menschen unter dem Titel Allgemeinwissen mit Mathematikbeispielen gequält werden, die später im Leben nicht mal mehr eine Handvoll Menschen braucht? Aber das haben wir uns schon vor knapp 40 Jahren gefragt und inzwischen auch bewiesen. Ich denke, es wäre wesentlich zielführender eine vertiefende Mathematik-Eingangsprüfung, verglichen mit dem kleinen Latinum, bei jenen Studienrichtungen einzuführen, wo Mathematik notwendig ist.

Notwendiger scheint mir für alle Schülerinnen und Schüler, quasi beginnend mit der Pflichtschule, die vertiefende Vermittlung von wirtschaftlichen Kenntnissen samt Betriebswirtschaft. Alleine das würde die Anzahl von späteren Konkursen, privat oder betrieblich, deutlich verringern. Der erschreckende Mangel an wirtschaftlichem (und politischem) Wissen der Maturanten ist seit Jahren bekannt. Dagegen unternommen wurde bisher eher wenig.

Jeder Mann und jede Frau soll bei dementsprechender Vorbildung die Möglichkeit haben, eine Universität zu besuchen. Doch das Land steht und fällt mit der Qualität der fachlichen Ausbildung, die nicht zwangsläufig akademisch sein muss, im Gegenteil. Obwohl Österreich laut OECD immer noch einen verhältnismäßig geringen Akademikeranteil hat, kann der lokale Markt diese nicht mehr aufnehmen. Das Lohnniveau gemessen am Bildungsgrad ist oftmals beschämend niedrig. Auf der anderen Seite haben wir einen eklatanten Mangel an Fachkräften. Hier gilt es anzusetzen, mit aller Kraft. Eine fleißige Fachkraft, womöglich Inhaber eines Gewerbebetriebes, verdient heutzutage jedenfalls wesentlich mehr als die meisten Akademiker.

Somit gilt der Satz: Matura – ja, Studium – nicht unbedingt, Berufsausbildung – auf jeden Fall!!

 

Euer

Peter Dobcak