Lunch im Graben30

Michaela Reisel

(c) Michaela Reisel

Macht das Essen so viel Freude wie der Ausblick? Dieser Frage wollte ich nachgehen und entschied mich für einen Lunch im Graben30. Als selbiges im September 2016 eröffnete, schien die einhellige Meinung darüber bald in Stein gemeißelt. Zu hochpreisig, Speisen nicht das, was man sich von einem Lokal an solch einem Standort erwartet. Begonnen wurde als Fine Dining Restaurant. Man sah – vor allem in dieser touristisch stark frequentierten Lage – dass es wirtschaftlich nicht das Klügste war, sich von vornherein einer breiten Schicht an potentiellen Gästen zu verschließen. So wurde das Konzept adaptiert und der Graben30 für alle geöffnet. Für jede Börslgröße etwas dabei, die Karte ergänzte man um beliebte Klassiker wie Wiener Schnitzel und Tafelspitz, Apfelstrudel und Kaiserschmarrn. Erklärtes Ziel: Gäste aus aller Welt, gleichermaßen aber auch Einheimische anzuziehen. Dass man Mitte des Jahres plötzlich ohne Küchenchef dastand, erleichterte es dem Lokal nicht gerade, sich neu zu positionieren und seine Lage als kulinarischer Hotspot in der Innenstadt zu festigen. Nach herausfordernden Sommermonaten scheint sich das Blatt aber nun zum Guten zu wenden.

Seit Oktober ist Ivan Jušta der neue Küchenchef im Graben30. Mit dem aus Istrien stammenden Jušta hat man hierzulande keinen Unbekannten ins Boot geholt. Er betrieb einige Jahre sein eigenes Restaurant, das Tartuf. Mit Jušta kam auch eine komplett neue Küchenmannschaft und eine neue Speisekarte. Etwas, das nicht hausgemacht ist, duldet Jušta nicht. Nur Speisen, die seinen kulinarischen Ansprüchen genügen, findet den Weg aus der Küche hinaus zu den Gästen.

Im ersten Stock des Hauses befinden sich das Restaurant und die Lounge. Essen kann man in beiden Räumlichkeiten. Ich bevorzuge das Restaurant, da vom Graben schön das Tageslicht in den Raum einfällt. Das Ambiente ist schick, gleichzeitig strahlt es eine Gemütlichkeit aus, hat etwas von einem edlen Wohnzimmer. Pölster und festlich geschmückter Weihnachtsbaum bringen zusätzliche Wohlfühlatmosphäre in das Ambiente. Als ich um 13:30 Uhr das Restaurant betrete, ist gut ein Drittel der Tische besetzt. So ergattere ich den wohl besten Tisch des Lokals, direkt vor dem Fenster zum Graben. Die anderen Gäste scheinen beiderseits Touristen und Wiener zu sein. Ein paar Zweiertische sind besetzt, eine größere Damenrunde, allesamt schätzungsweise zwischen 50 und 60, sitzt hinter mir. Während ich esse, füllt sich das Lokal immer mehr. Alte und junge Leute treten ein. Einige scheinen zum ersten Mal hier zu sein, andere sind offenbar Stammgäste (werden namentlich begrüßt).

Flambierte Garnelen (c) Michaela Reisel

Nun zum Essen, auf das ich besonders gespannt war. Zur Vorspeise flambierte Garnelen. Die Portion ist riesig, auch mit der Hälfte wäre ich schon zufrieden gewesen. Die Garnelen werden nach gut zehn Minuten serviert und kommen auf einem Bett von verschiedenen (Bitter-)Salaten. Dazu wird Brot (von Ströck) und eine Flasche Olivenöl auf den Tisch gestellt. Das Öl sei ein Besonderes, meint die Kellnerin, die mir aber eine Spur zu schnell wieder verschwindet. Was denn so besonders sei, frage ich daher die Betreuerin. Diese ist von Tisch zu Tisch unterwegs, wechselt ein paar nette Worte mit den Gästen. Viele scheinen sie schon zu kennen. Ihre Frohnatur kommt gut an, sie verbreitet auf Anhieb gute Laune und trägt dazu bei, dass man sich – abgesehen vom tollen Ausblick und den gemütlichen Polstersesseln – einfach wohlfühlt. Von ihr erfahre ich, das Olivenöl ist von einem kroatischen Kleinbetrieb und seit diesem Monat wird es nicht nur zu den Speisen gereicht, man kann es auch direkt im Lokal kaufen. Bevor ich um ein Schüsselchen bitten kann, um mein Brot darin zu dippen, reicht sie mir schon eines. Es schmeckt wirklich fein. Intensiv und köstlich.

Tagliatelle (c) Michaela Reisel

Zur Hauptspeise entscheide ich mich für Tagliatelle mit einer Sauce aus Trüffelaroma und Obers. Das Gericht wird innerhalb kürzester Zeit serviert und prompt steigt mir ein intensiver Geruch von Trüffel in die Nase. Das Gericht hält, was es verspricht. Die Tagliatelle sind bissfest, von cremiger Sauce ummantelt. Eins muss ich jetzt einmal festhalten: In unserer schnelllebigen Zeit nimmt man sich viel zu selten wirklich Zeit fürs Essen. Das Handy ständig in der Hand, da kann ich mich auch nur selbst an der Nase nehmen. Aber in dem Moment, als ich hier sitze, ein riesiger Polster im Rücken und einen Bissen der cremigen Pasta im Mund, den Blick über den weihnachtlich geschmückten, an diesem Mittag sonnigen Graben gerichtet, empfinde ich einfach pure Zufriedenheit. Das Essen schmeckt herrlich! Über die Tagliatelle sind Sprossen und Kresse gestreut. Salz und Pfeffer, die dazu gereicht werden, bleiben unangetastet. Den Prosciutto darauf hätte ich gar nicht gebraucht. Verstehen Sie mich nicht falsch, gut war er schon, aber auch ohne ihm wären die Nudeln ein Highlight gewesen. Die Betreuerin, Wynn ist ihr Name, isst die Nudeln mit Shrimps statt Prosciutto, wie sie mir verrät. Das kann ich mir gut vorstellen. Muss ich nächstes Mal ausprobieren, ob ich das auch bekomme. Ein Geheimtipp sei auch das Risotto, so Wynn.

Weiter geht’s mit der Nachspeise: Neben meinem obligatorischen Espresso, doppelt dieses Mal, bestelle ich Apfelstrudel mit Vanillesauce. Seit Ivan Jušta in der Küche steht, ist der Strudel selbstgemacht. Üblicherweise wird er kalt serviert, aber ich entscheide mich für warm. Die Vanillesauce kommt in einem Kännchen, was hübsch aussieht und mir die Möglichkeit gibt, sie dezent zu verwenden oder den Strudel darin zu baden. Die Himbeere auf dem Strudel drauf ist ein netter Farbakzent, hätte es aber nicht gebraucht. Wie bereits Vor- und Hauptspeise ist auch das Dessert groß, ich plage mich fast, aufzuessen. Aber es stehen zu lassen, kommt nicht infrage, dazu ist es viel zu gut.

Strudel und Espresso (c) Michaela Reisel

Als ich nach dem Essen aufbreche, ist eine Vielzahl der 60 Plätze des Restaurants belegt. Die Lounge fasst auch nochmal 80, wie viel dort los ist, kann ich nicht sagen. Ab März kann man auch wieder draußen sitzen, der Schanigarten wird ab dem Frühjahr 2018 noch größer als bisher. 150 statt bisher 100 Personen finden hier künftig Platz. Dass man auch diese Anzahl füllen wird, bezweifle ich nicht. Da sieht man, dass es wert ist, jedem eine zweite Chance zu geben. Anfangs waren die Kritiken ja laut, sicher nicht unberechtigt. Aber jetzt? Nochmal hinzugehen zahlt sich aus. Das Graben30 mausert sich. Ein Wiederholungsbesuch folgt in Bälde, auf einen Plausch mit Wynn und ein Risotto von Ivan Jušta.