Viel Beleg um Nichts

Michaela Reisel

Die Einführung der Registrierkassenpflicht an sich ist nicht nur aus steuerrechtlicher Sicht zu begrüßen, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher, denn sie zwingt den Unternehmer nun, eine kaufmännisch korrekte Preiskalkulation durchzuführen. Viel zu lange wurde über den Daumen kalkuliert oder der Preis für das Mittagsmenü richtete sich danach, was der Nachbarbetrieb verlangte. Nun wurde zum ersten Mal klar ersichtlich, dass über Jahre viel zu billig verkauft wurde, um die enorm gestiegenen Kosten, allen voran die Lohnnebenkosten, decken zu können.

Die Einführung der Registrierkasse samt Belegpflicht ist nicht der Grund für das Scheitern viele Gastronomiebetriebe, sondern der Auslöser, denn es wurde damit ganz brutal ein sich über Jahrzehnte entwickeltes System der unkorrekten Betriebswirtschaft beendet. Kein Mensch würde allerdings einem Drogensüchtigen von einem Tag zum anderen die Drogen wegnehmen, sonst krepiert er. Der Entzug wird durch die Abgabe von Ersatzdrogen begleitet, um so den Patienten langsam an das Leben ohne Drogen zu gewöhnen. Genau das hat die Politik bei ihren Maßnahmen verabsäumt. Wenn ein eingefahrenes System derart geändert wird, muss mit Kollateralschäden gerechnet werden und sinnvolle begleitende Maßnahmen wären zu setzen. Leider wurde der Fokus ausschließlich auf das rasche Einheben von mehr Steuern gelegt, die Menschen und Schicksale dahinter waren der Politik offensichtlich egal. Wie kurzsichtig diese Vorgangsweise war, wird die Statistik im kommenden Jahr zeigen, wenn die Vergleichszahlen zum Vorjahr ersichtlich sind: von den Betriebsschließungen bis zu den weiter angestiegenen Arbeitslosenzahlen. Und das traurige Bekenntnis des Finanzministers, dass weit weniger als die erwarteten 900 Millionen Euro für das Budget übrig geblieben sind. Denn viele, viele Millionen davon werden direkt zum AMS wandern, um die neuen Arbeitslosen aus der Gastronomie zu stützen. Operation gelungen, Patient tot. Hauptsache wir sammeln Belege.

Um sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, wird es für die Gastronomie eine Reihe von Maßnahmen, nicht nur seitens des Gesetzgebers, brauchen. Eine, nämlich die Wichtigste, ist ein klares Bekenntnis zum Preis. Und damit sind wir wohl schon bei der größten Hürde, denn was das Verlangen des kalkulatorisch notwendigen Verkaufspreises betrifft, ist die Branche von einem Phänomen getrieben, dem der kollektiven Angst. Der Angst, dass die Gäste ausbleiben, die Umsätze sinken und wir untergehen werden. Genau diese Angst gilt es zu überwinden, denn es gelten noch viele andere Kriterien warum wir womöglich weniger Kunden haben. Der Preis spielt dabei nur temporär eine Rolle. Die Gäste gewöhnen sich relativ rasch daran, wenn wirklich alle Gastronomen endlich vernünftige Preise verlangen. Wir müssen aufhören, über den Preis zu verkaufen. Zeigen wir mehr Mut dem Gast gegenüber, denn wir verkaufen eine Leistung und die hat ihren gerechten Preis. Ein geschätzter Kollege hat vor Kurzem weise zu mir gesagt: „Der Gast, der sich mich nicht leisten kann, den kann ich mir nicht leisten“. In diesem Sinne, leben wir für den Gast, aber denken auch mehr an unsere Mitarbeiter, an unsere Familien und an uns selbst.