Einheitsgastro droht das Aus!

Michaela Reisel

Nahezu jeden Tag werde ich aus unterschiedlichen Quellen darüber informiert, dass in Wien wieder ein neues Lokal eröffnet oder ein bereits bekanntes nach Neuübernahme wieder aufgesperrt wird. Nachdem sich die Fluktuation jahrelang so um die 20% bewegt hat scheint sich die Marktbewegung noch mehr zu beschleunigen. Fakt ist, dass sich die Branche statistisch alle 5 Jahre völlig erneuert. Auch wenn wir unsere Stammwirte lieben ist es besonders die Gastronomie die immer wieder mit neuen Konzepten ihre Gäste überraschen muss.

Die Dichte an täglicher Information, welches neue Lokal oder welchen kulinarischen Trend man schon längst kennen sollte ist nur möglich, wenn ein entsprechendes Angebot da ist. Mit fast 9000 Betrieben hat Wien mehr Lokale als Berlin oder zirka doppelt so viele Lokale wie Hamburg bei ähnlicher Einwohnerzahl. Das klingt für den Konsumenten gut, bedeutet aber für die Unternehmen einen enormen Verdrängungswettbewerb.

Die Herausforderungen sind vielfältig, von der Qualität der Küche über die Mitarbeiter, das Konzept an sich, mit notwendigem Marketing, die Bewältigung überbordender Bürokratie, elektronische Registrierkasse und und und…..

Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass mehr und mehr Kollegen und Kolleginnen, die Jahrzehnte lang ihr System fahren diese Änderungen nicht mehr mitmachen wollen. Jeder trifft hier seine ganz persönliche Entscheidung. Es muss aber klar sein, dass den Gast überhaupt nicht interessiert warum und wieso ein Lokal schließt. Das Angebot ist so groß, dann geht man eben woanders hin. Es hat auch wenig Sinn ausschließlich das Umfeld für einen schleichenden Geschäftsrückgang verantwortlich zu machen. Die Zeiten ändern sich, die Rahmenbedingungen auch. Die Gastronomie ist nicht die einzige Branche die sich im starken Verdrängungswettbewerb beweisen muss, so ehrlich sollten wir schon sein.

Wir arbeiten als Fachgruppe seit einigen Jahren mit einem privaten TV-Sender zusammen, der wöchentlich einen Lokaltipp abgibt. Ich darf zum präsentierten Lokal einen einleitenden Satz sagen. Es ist überraschend, wie viele Unternehmer auf die einfache Frage, was denn ihr Lokal besonders macht, keine wirkliche Antwort wissen. Favorit bei den Antworten der Gastronomen ist übrigens traditionelle Wiener Küche in gemütlichem Rahmen.

Dass wir mit den uns aufgezwungenen gesetzlichen Vorschriften oft schwer zu kämpfen haben steht außer Zweifel. Dass die Abgabenlast viel zu hoch ist bedarf keiner extra Erwähnung. Dass wir als Interessenvertretung wesentlich stärker werden müssen weiß ich. Das ist der Grund warum ich überhaupt dabei bin. Trotzdem gilt es darüber nachzudenken, ob nicht auch der fehlende Wille zur Innovation oder Neues zu lernen ihren Teil dazu beitragen warum das Geschäft nicht mehr so läuft wie früher.

Da haben es die „Jungen“ oder jung gebliebenen schon leichter. Marketing plus Social Media Auftritte, Businessplan, Controlling, Nichtraucher, Registrierkasse, sind für Neueinsteiger fast schon eine selbstverständliche Sache, weil es ohne dem gar nicht mehr geht. Die Frage ist, wie innovativ bin ich? Welche Maßnahmen muss ich setzen um mein Konzept erfolgreich umzusetzen? Das Resultat dieser professionellen Basis, gepaart mit Leidenschaft für die Sache, ist eine Vielfalt an unterschiedlichen Lokaltypen die mich persönlich sehr zuversichtlich stimmt, dass unsere Branche trotz aller Herausforderungen einer guten Zukunft entgegengeht.

Euer

Peter Dobcak