Reine Frauenpower und ein Dreieck im Weißgerberviertel

Gastro News

Wien (Culinarius) – Wenn man an die kulinarischen Hotspots der Stadt denkt, fallen meist Namen wie Neustift am Walde, die Wiener City oder den Siebensternplatz. Aber auch abseits dieser Gegenden bildet sich eine Gastro-Kultur, welche sich nicht verstecken muss. Nimmt man beispielsweise das Weißgerberviertel im 3. Bezirk her, muss man nicht lange suchen: Denn mit dem Dreieck hat man ein kleines aber feines Haubenlokal mit klassischem Wiener Charme.

„Es hat alles mit einem Scherz begonnen!“

Es gibt Gegenden in Wien, welche sich langsam zu kulturellen oder gastronomischen Geheimtipps mausern – unter letzterer lässt sich definitiv das Dreieck in seiner Umgebung einordnen, eine Minute Fußweg vom Radetzkyplatz, entfent, in der Unteren Viaduktgasse Nummer 3 . Beim Betreten wird  sofort klar: Man setzt zwar auf moderne Konzeption, versucht aber gleichzeitig, das altwienerische Feeling hochleben zu lassen. Die Holzverkleidung, die Lamperie aber auch die originale Schank aus den 1950ern lassen wohl bei einigen Kindheits- und Jugenderinnerungen hochkommen. „Es hat alles mit einem Scherz begonnen!“ – sagt Anna Auer, die Chefin des Dreieck im Interview. „Ein Mitarbeiter im Eisvogel hat gekündigt, worauf ich gemeint habe, ich würde lieber ein Lokal mit ihm eröffnen als ihn gehen zu lassen. Ein Kellner hat das gehört und heute sitzen wir hier – ich hatte eigentlich nie den Plan ein eigenes Lokal aufzumachen – aber wenn eine Tür aufgeht, soll man auch durchgehen.“ Mittlerweile ist Auer die Einzige, die aus der ursprünglichen Besetzung noch da ist: Bernd Stocker, der Koch, welcher derzeit wieder im Eisvogel ist, ist gleich zu Beginn gegangen – aber das wichtigste: „Wir sind natürlich nicht im Bösen auseinander gegangen. Ich rufe Herr Stocker nach wie vor an, wenn ich nicht weiß, was ich mit der Gänseleber anfangen soll.“, meint Auer und lacht dabei. Mittlerweile setzt das Team auf reine Frauenpower: Hinter dem Herd steht Carina, die Köchin: „Wenn ich draußen mit meiner Servicehilfe zu Stoßzeiten beginne zu schwimmen, steht sie in der Küche, singt und beginnt erst zur Höchstform aufzulaufen.“ Auf die Frage wie das passende Lokal gefunden wurde, meint Auer: „Gefunden habe ich das Lokal über die Nachfolgebörse der WKO. Ich habe mir das schlechteste Inserat ausgesucht – und das war dieses Lokal.“ Sie hebt den Finger und zeigt auf einen alten Holzstich (eines der vielen kleinen Details, welche die urwienerische Flair und Authentizität des Lokals ausmachen) eines trinkenden Mönchs: „Er ist der Grund wieso ich das Lokal gewählt habe. Dieses Kleinigkeiten, Gegenstände und dieses Lokal erzählen eben eine Geschichte.“

Klassische Wiener Haubenküche ohne Hauben-Chichi

Zwar kann sich das Dreieck mittlerweile über eine durch Gault & Millau  verliehene Haube freuen –„Gute österreichische Küche wie sie eben der Eisvogel macht, allerdings in entspannter Atmosphäre.  Wenn jemand gern ins Wirtshaus geht – wenn er/sie dieses Ambiente gerne mag und gute Wiener Küche liebt, dann soll er zu uns kommen. Ich glaube, es ist diese Mischung aus Wohlfühlen, einfach natürlich sein (ähnlich wie zuhause) und einer wirklich großartigen Küche. Das ist diese für mich perfekte Mischung. Das ist das was uns ausmacht.“ Exemplarisch zitiert Auer hier einen weiblichen Stammgast: “Es ist schön, ich muss mich nach dem Büro nicht umziehen, wenn ich zu Ihnen komme!“ Das Konzept einfach wie genial: „Höchste Qualität zu fairsten Preisen“ – so lautet auch der erste Satz des Businessplans. „Wir wollen zeigen, dass die Wiener Küche hochwertig daherkommen kann, dass es nicht gleich das Mittagsmenü um 5,80 sein muss. Auch bei den Lieferanten wird auf Hochwertigkeit Wert gelegt: „Einerseits muss die Regionalität gewährleistet sein. Ich selbst esse ja gar kein Fleisch, aber wenn ich Fleisch verkaufe, dann will ich, dass das von so richtig glücklichen Rindern ist. Andererseits muss ich mich auf einer menschlichen Ebene gut mit den Zulieferern verstehen können.“  Vor kurzem wurde auch der Fleischlieferant gewechselt – und bei diesem handelt es sich um niemand geringeren als „Fleisch und Mehr“ (bereits Lieferant  zahlreicher Top-Lokale in Wien), welcher sein Fleisch ausschließlich von 32 Kleinbauern aus Salzburg bezieht.
Ein weiterer Punkt, der die Philosophie hinter dem Dreieck ausmacht betrifft die Nachhaltigkeit. „Wir achten sehr darauf, dass wir nichts wegwerfen – ich würde lieber etwas ausgehen lassen als es wegzuschmeißen weil ich zu viel bestellt habe.“

Eine Vorreiterrolle und anfängliche Zweifel

Natürlich stellt sich auch immer die Frage, inwiefern ein Lokal in einer Gegend eine Vorreiterrolle einnehmen kann – diese stellt sich auch beim Dreieck. „Ich fände das total schön, wenn das Viertel auflebt. Die hier ansässigen Gastronomen sind immer erfreut sind, wenn ein frischer Wind kommt. Ich kann interessierten Gastronomen nur empfehlen hier herzukommen – bringt frischen Wind rein!“ Da derzeit viele Geschäftsflächen und Immobilien in der Gegend zum Verkauf feilgeboten werden, stellte sich im selbstverständlich auch die Frage, ob eine zweites Dreieck in Betracht gezogen werden würde:  „Ich kann mich zwar nicht zweiteilen; aber falls doch, dann eher in Hamburg.“ Doch das Dreieck war nicht immer das was es jetzt ist, denn gerade zu Beginn gab es Zweifel. „Am allerersten Tag waren wir natürlich alle total müde vom Umbau, weil wir alles selber gemacht haben. Eigentlich wollten wir um halb 12 aufsperren, doch vor Aufregung waren wir alle schon um 9 da und um halb 10 haben bereits die ersten Gäste an die Tür geklopft und gefragt „ob wir eh schon offen haben.““ Hier handelte es sich um die alte „Stammgäste-Mannschaft“ des Vorbesitzers des Dreiecks – daraufhin habe ich um halb zehn meinen ersten Averna einschenken müssen.“ erklärt Auer lachend. Im Endeffekt konnte Dreieck aber mit den alten Stammgästen nicht warm werden, worauf hin einige harte Monate folgten. Doch die Rettung nahte in Form von Severin Corti: „Er kam, schrieb seine Restaurantkritik über uns und dann ging es plötzlich in die Richtung in die wir wollten!“

„In der Regel versuchen wir keine Hypes mitzumachen.“

In Bezug auf die Frage, wie das Team Trends und Hypes der Gastronomie in ihre Konzeption mit einfließen lässt, antwortet Auer: „Wir sind gar nicht so „straight“ wie man vermuten würde – wir haben beispielsweise Burger in die Speisekarte reingenommen – aber in der Regel versuchen wir keine Hypes mitzumachen.“ Es werden eben hauptsächlich solide Sachen angeboten im Dreieck – „wir machen das was wir gut können, aber  natürlich gibt es ab und zu internationale Ausreißer. Im Moment befindet sich beispielsweise Tunfisch in der Pfefferkruste auf der Karte (welcher sich besser verkauft, als klassisches Wiener Schnitzel – fast eine Ironie in der Geburtsstadt des Schnitzels). Und neben einem Evergreen der Wiener Desserts, der Cremeschnitte, findet sich auch etwas exotischeres in der Karte: Zitronengrass-Panna cotta mit Mangomouse. „Die Mischung macht’s eben.“

Die Zukunft wird’s zeigen – auch mit dem richtigen Team

Im Moment, sei es oberstes Ziel, das Dreieck kontinuierlich zu füllen, denn derzeit gibt es nämlich tageweise extreme Fluktuationsraten bei den Gästen. „Andererseits will ich nicht, dass wir jemals eines dieser Lokale werden, welche „g’steckt voll“ sind, da mir das die Möglichkeit nehmen würde, mich um meinen Gast zu kümmern.“ Weiter will Auer gar nicht denken: „Sobald ich das geschafft habe denke ich weiter an mein nächstes Ziel. Expandieren möchte ich derzeit nicht, da ich glaube, dass ein Lokal rund drei Jahre braucht um sich zu etablieren.“ Dass gerade bei einem kleinen Team Zusammenarbeit groß geschrieben wird, ist nicht überall gang und gäbe. „Ich muss es verkaufen können, Carina muss es kochen können. Zusammen arbeiten wir regelmäßig an der Konzeptionierung der Karte, welche ja rund alle 6 Wochen wechselt. Zusätzlich dazu holen wir uns auch immer die neutrale Meinung eines Außenstehenden. Ich stehe zwar gerne als Chefin vorne, aber die wahre Künstlerin bei uns, ist die Carina.“ Die Zeichen stehen auf Aufbruch und das Dreieck ist wohl auf dem besten Weg ist, ein etabliertes Wirtshaus im Grätzl und darüber hinaus zu werden.

Fotocredit: Andreas Schiffleitner