Kopfsteinpflaster und Tacos – die neue, urbane Idylle

Andrea Wieger

Oft mag ich ein neues Lokal erst besuchen, wenn ich der Meinung bin „ja, die sind dort jetzt bestimmt schon gut eingespielt.“ oder „jetzt machens bestimmt keine Fehler mehr“. Klingt komisch, denk ich mir aber wirklich. Dass dann höchstwahrscheinlich weniger zu bemängeln ist als in der Eröffnungswoche, ist in der Tat der Fall. Doch genau darin liegt doch meiner Meinung nach die Wahrheit, ich gebe Menschen ja auch noch eine Chance, wenn es mal irgendwo zwickte. Und so auch bei Lokalen… gut Ding braucht (bisschen) Weile, zumindest in den meisten Fällen.

Gut Ding hat der Geschäftsführer des vor drei Monaten eröffneten „Erich“ in Wien Neubau zwar schon bewiesen, und zwar mit seinem ersten Lokal namens „Ulrich“ am St. Ulrichsplatz, Ecke Burggasse. Weil dies so gut lief und noch immer läuft, wurde er des Öfteren gefragt ob er nicht noch ein weiteres „gutes Ding“ aufmachen will. Eigentlich nicht. Doch bei dem Angebot in der Neustiftgasse, am unteren Ende des St. Ulrichsplatzes quasi, wollte er nicht ablehnen. Und das nicht nur, weil es hervorragend liegt, um vom Ulrich ins Erich und retour zu hüpfen. Das Konzept im Erich ist ähnlich wie im Großen-Bruder-Lokal, aber irgendwie dann doch anders.

Das ehemalige „Nepomuk“-Beisl wurde komplett renoviert, das alte Gewölbe weiß gestrichen, was mit dem neuen schwarz-goldenen Mobiliar sehr harmonisch und stylisch wirkt. Das große Glück im Erich ist im Sommer jedoch der gemütliche Gastgarten, inklusive malerischer Häuserkulisse, Plätscherbrunnen, Kopfsteinpflaster und der barocken Ulrichskirche vor der Nase. Fast könnte man denken man sitzt nicht in der Großstadt, sondern irgendwo am Hauptplatz eines italienischen Dorfes, wären da nicht die zahlreichen Autos, die sich nachmittags durch die Neustiftgasse schieben und „Rosi´s Fußpflege“ vis-a-vis. Das ist halt der Unterschied zwischen Land- und Stadtidylle, der aber die Freude nicht wirklich mindert.

Ebenso gemütlich wie der Schanigarten wirkt die Speisekarte: gefrühstückt kann bis 16 Uhr werden, es gibt nettes Fingerfood, gesunde Mittagsgerichte, spritzige Limonaden und nette Küchlein. Beim Frühstück hat man – wie so oft – die Qual der Wahl aus einer Vielzahl an verschiedenen Kombinationen, die hier den Rahmen sprengen würde, wenn ich diese aufzählte. Doch zum Gusto machen ein paar Ideen: Knuspergranola, Schoko-Porridge, Spinat-Lachsomelette, gefüllte Mais-Tacos, Scones, Mini-Bratwürstel, Kaiserschmarren und vieles mehr. Hui… eine Herausforderung für Frühstücksindividualisten.

Ich war nachmittags im Erich und probierte zuerst mal die Tacos: die Variante mit Avocado, Schafskäse, Bohnencreme, Koriander und Limette war wirklich her-vor-ragend, so cremig und üppig gefüllt – das macht schon mal Spaß. Und mit € 2,50 pro Stück auch nicht teuer. Das zweite Exemplar, mit Calamari, konnte meine Erwartungen leider nicht erfüllen, noch dazu weil es um einen Euro mehr kostet, jedoch aber spärlicher befüllt ist. Die viel zu kleinen Calamari-Stücke schmecken irgendwie fad, die Limetten-Chili-Mayo ist nicht so gut wie sie klingt, einzig die Ration an knusprigem Quinoa passt gut. Nächstes Mal koste ich doch lieber die Version mit dem Pulled Pork, Rotkraut, Sesam und Basilikum. Ein weiteres Fingerfood sind die gegrillten Cheesesandwiches (€ 7,50 – 9) – zumindest für die unprätentiösen Gäste, die einen Käsetoast nicht mit Messer und Gabel essen müssen. Der Käse hierfür kommt vom Pöhl am Naschmarkt. Na gut, dann vielleicht doch mit Besteck, auch wegen dem Salat der mit auf den Teller kommt. Kombinationen wie Schafkäse-Schmorzwiebel, Gruyere-Knusperspeck oder Blauschimmel-Birne machen da schon richtig Appetit, nicht schlecht! Und dann gibt’s als Snack noch die kleinen Spieße: um maximal € 2,50 das Stück werden aufgespießte Happen Rind, Lachs, Huhn oder Vegetarisches serviert. Auch nett, aber nicht umwerfend spektakulär. Die sogenannten „Bowls“ –  mit gesundem Essen gefüllte Schüsseln –  sind da schon ansprechender. (Kurze Anmerkung, die ich mir nicht verkneifen kann: also wieder so ein ver-amerikanisiertes Ding, das meine Augen zum Rollen bringt. Andererseits klingt „Schüsseln“ als Überschrift auch irgendwie komisch.) Um acht Euro kriegt man im Erich gesunde Bowl-Kombis wie Kürbis mit Ziegenkäse, roter Rübe und Buchweizen oder Quinoa mit karamellisierten Karotten, gegrillter Ananas und Schafskäse. Unbedingt probieren!

Wer eher der klassische Mittagsmenü-Typ ist, wird im Erich aber auch glücklich. Werktags gibts um circa zehn Euro wechselnde Menüs – mit Suppe, Salat oder Kuchen bestellbar. Getränketechnisch werden selbstgemachte Limonaden, Säfte, Smoothies, viele Kaffeevariationen (Rösterei Alt Wien), Bier vom Fass (Schladminger), Spritzweine, diverse Cocktails und acht verschiedene Ginsorten fürs Gin Tonic serviert. Alles da, wunderbar.

Mein Fazit:

Ein idyllisches Plätzchen ist das! Hübsches und leckeres Essen, angenehme Atmosphäre, netter Service, für viele Geschmäcker und jede Tageszeit ist was dabei, ein Allroundtalent also. Wirklich zu empfehlen!

 

Erich

Café – Bar

Neustiftgasse 27

1070 Wien

Tel. 01 / 890 64 00 (jedoch keine Reservierung möglich, nur exklusives Mieten des Lokals)

www.erichwien.at

Geöffnet: täglich von 09 – 02 Uhr (wow!)

 

Fotocredit: Christof Wagner