Geht die Liebe wirklich durch den Magen?

Andrea Wieger

Die neue Markthalle in der Siebensterngasse also. In den letzten Monaten ist aus dem vormals unscheinbaren Geschäftslokal, in dem Sushi verkauft wurde, ein Raum entstanden, der des Gourmets Herz höherschlagen lassen soll. Regionale, aber auch ausgewählte internationale Produkte gibt es hier. Und das als Teil eines mutigen Konzepts, das in Wien irgendwie neu ist, irgendwie aber dann doch wieder nicht: es soll eine Kombination aus Markthalle, Café und Restaurant sein, welche sich in vielen anderen Städten der Welt bereits großer Beliebtheit erfreut.

Betritt man die »Marktwirtschaft« wird man mit Kaffee von Kaffemik empfangen. Schlendert man im rund 400 Quadratmeter großen, offen gestalteten Raum weiter, gelangt man zu den Fixgrößen der Markthalle. Von Dienstag bis Sonntag (!) gibt’s hier Fleisch und die vielfach prämierte Blutwurst von Franz Dormayer. Frisches Raritätengemüse, Kräuter & Co kommen vom Biohof Rapf, zudem gibt’s innovative Getränke, eine feine Käseauswahl von Christian Pöhl und ofenfrisches Brot der Holzofen-Bäckerei Gragger. Auch diverse Produkte, die die Initiatoren auf ihren Reisen aufstöbern, finden ihren Weg an diesen Ort. Alles schön und gut, das Angebot ist jedoch noch ausbaufähig um wirklich „Markt“ genannt zu werden.

Das eigentliche Herzstück der Marktwirtschaft ist aber das angeschlossene Restaurant namens „Die Liebe“. Betrieben wird das Lokal von einer Veranstaltergruppe rund um David Kreytenberg. Hinterm Herd steht Alfred Schoch, der bereits im Edvard im Palais Hansen Kempinski aufkochte.

Beim Interieur haben sich die Macher des Restaurants an das Image des 7. Bezirkes gehalten: Wände im abgewetzten Shabby-Chic (wie könnte es anders sein), Beton-Boden, Lampen im Fabriksstil, eine offene Küche und viel Holz. Die Wände im Restaurantbereich sind geschmückt mit rot, blau und gelb bemalten Deko-Elementen, eine breite Fensterfront gewährt einen Blick auf den begrünten Innenhof. Man hat sich diesbezüglich durchaus bemüht, doch richtig gemütlich ist ob des Kantinenflairs meiner Meinung nach was Anderes.

Die Frühstückskarte ist beispielsweise mit Kernöleierspeis, Granola und Eggs Benedict recht vielversprechend, mittags gibt’s zwei verschiedene Tagesgerichte (zwischen € 8 und € 11,50), abends dann kreative Tapas: Börek mit veganer Blutwurst und Spinat, Lauchcrêpes mit Emmentaler, gebratener Karfiol mit Bulgur oder Oktopusbällchen im Plunderteig – um nur diejenigen Gerichte der Speisekarte zu nennen, die relativ einfach erklärt werden können. „Wir haben versucht, die Karte so zu gestalten, dass wir das Marktkonzept darin aufgreifen. Das heißt, die Leute zum Probieren anzuregen. Deshalb machen wir Tapas. Das ist sozusagen unsere Signature. Allerdings nicht diese klassischen, spanischen Tapas, sondern kleine Portiönchen, die gut zum Teilen und leistbar sind. Das soll auch einen Street-Food-Charakter haben. Aber eben mit dem Background eines Sternekochs.“ so Kreytenberg. Der Anspruch, leistbar zu bleiben, bedeutet, die Tapas für 4,50 bis 7,- EUR anzubieten. Mit drei bis vier Portionen soll man satt werden. Bestimmt nicht jedermanns Sache, doch für Unentschlossene mit mittelgroßem Hunger ein guter Kompromiss.

Als Barchef beweist Hubert Peter, ehemaliger Barchef im Kussmaul, sein Können: getränketechnisch sind seine sogenannten „Petit Pours“ – Cocktailkreationen im Kleinformat – der letzte Schrei. Peter setzt auf alles, was sich ansetzen lässt: Gin, Tonic, Wermut, Kirschlikör, Himbeer-Essig-Limonade mit Kren – recht außergewöhnlich. »Es geht darum, Geschmäcker zu trinken und wir verzichten in der Bar auf sämtliche Markenprodukte«, erklärt Peter seinen radikalen Ansatz. Lediglich Apfelsaft, ein Schankbier und Wein werden zugekauft. Letzteren können sich die Gäste direkt vom Weinregal aussuchen und gegen ein Korkgeld Flaschenweise im Restaurant konsumieren. Was es jedoch mit dem „Liebeswasser“ oder dem „Haussoda“ (um € 3,10!) auf sich hat? Verliebt man sich dann plötzlich wie von Amor´s Pfeil getroffen in den Gast am Nachbarstisch? Man weiß es nicht genau….

Ideen gibt’s in diesen Hallen noch zur Genüge: zum Frühstück kann sich Kreytenberg beispielsweise auch Specials wie Morgen-Yoga vorstellen. Nachmittags gibt’s dann ein Afterworks-Aperitivo-Angebot und abends soll sich »Die Liebe« in ein Restaurant mit Event-Option verwandeln – DJ-Line-Up inklusive. Na bumm.

 

Mein Fazit:

Die neue Marktwirtschaft ist leider kaum Markt, dafür wird in der Wirtschaft anscheinend richtig gut gekocht – in ganz kleinen Portionen zu nicht ganz kleinen Preisen.

Was im Big Apple funktioniert, muss laut den Ideengebern auch in der Alpenrepublik ein Erfolg werden. Echt jetzt? Brauchen wir hierzulande wirklich alles was es in dem großen Land im Westen auch gibt? Und brauchen wir wirklich immer mehr „Concept-Stores“ mit „Signature-Speisen“, Sport-und-StreetFood-und-Event-und-Afterwork-und-alles-in-einem-Locations?? Ist weniger nicht doch mehr? Und damit meine ich nicht die Quantität am Teller, sondern Lokalkonzepte im Ganzen betrachtet. Wir sind doch Wien, nicht New York, oder?

Ein Ort für kreative Ideen ist es ja. Und einen Versuch ist dieses Vorhaben allemal Wert. Den richtigen Bezirk haben sich die Entwickler zumindest schon mal ausgesucht. Ob das Konzept aufgehen wird? Man wird sehen. Bis dahin gibt es ja zum Glück doch noch einige Exemplare des guten, alten Wirtshauses in dieser Stadt.

 

„Die Liebe“ in der Marktwirtschaft

Siebensterngasse 21

1070 Wien

Tel.: 0676/668 19 69

www.dieliebe.wien

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 09-24Uhr